Ausgerechnet am 8. März, dem Frauentag, fühlte sich krone.at-Chefredakteur Richard Schmitt veranlasst einen Text über Stefanie Sargnagel, Lydia Haider und Maria Hofer, zu veröffentlichen. Es ging darin um ein satirisches Tagebuch, das die drei Autorinnen auf einer Marokkoreise verfassten, am 25. Februar auf derstandard.at unter dem Titel "Jetzt haben wir ein Pferd und Haschisch" veröffentlicht wurde.
Schmitt stößt sich unter dem Titel „Saufen und Kiffen auf Kosten der Steuerzahler" an „spätpubertärer Freude“ der Autorinnen, er schreibt, dass sie darüber „berichten“, „dass sie "alle Tiere hassen", wie sie "eine Babykatze zur Seite treten" und "mit dem Muezzin schmusen" – bringt die in seinen Augen „heftigsten Sager“ als Screenshots zum Nachlesen. „Schauderhaft verfasst“ sei das „Internet-Gschichterl“, und noch ein Aufreger: „Wie das Ministerium für Kunst und Kultur der "Krone" bestätigt, haben Lydia Haider und Stefanie Sargnagel für ihren Afrika-Trip um zwei Reisestipendien in der Höhe von je 750 Euro angesucht und diese Beträge auch erhalten.“ Der Text ist übrigens nicht als Kommentar gekennzeichnet, könnte also auch als objektiver Artikel erscheinen.
Was Schmitt nicht schreibt ist, dass es sich bei dem Tagebuch um literarische Satire handelt. Laut Duden ist Satire eine „Kunstgattung, die durch Übertreibung, Ironie und [beißenden] Spott an Personen, Ereignissen Kritik übt, sie der Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert, mit scharfem Witz geißelt“. Genau so könnte man Sätze wie diesen von Sargnagel verstehen und einordnen: „ Lydia ist die einzige Vegetarierin der Gruppe, aber im Unterschied zu den anderen VegetarierInnen, die ich kenne, ist sie es nicht, weil sie Tiere liebt, sondern weil sie Tiere zutiefst hasst. Heute hat sie eine Babykatze zur Seite getreten mit der Behauptung, sie habe Tollwut, danach biss sie selbstzufrieden in eine vegetarische Crêpe.“ Nicht so Schmitt, im Gegenteil: Er suggeriert sogar mit dem Wörtchen „berichten“, dass die drei hier erlebte Tatsachen wiedergeben. Bleibt auch auf Twitter hartnäckig, antwortet auf Sargnagels Frage, warum sie ihr Stipendium zurückzahlen solle: „Weil sie auf einer mit Steuergeld finanzierten Reise kifften, soffen & Babykatzen getreten haben.“
Und genauso verstehen und kommentieren das auch die User von krone.at bzw. der dazugehörigen Facebook-Seite: Sargnagel steht dort stellvertretend für die drei Autorinnen am mittelalterlichen Dorfplatz-Pranger und wird mit Schmutz beworfen. Die Kommentare reichen von simpler Kritik über Beleidigungen bis hin zu offenen Drohungen. Manche davon sind nach wie vor nachzulesen, wie jener von Christina, die sie als „talentbefreite, alkoholkranke, ständig unter Drogen stehende Pädophilista“ bezeichnet.
(Screenshot, am 10.3., 15:00 Uhr noch auf der Facebook-Seite der Krone sichtbar.)
Stefanie Sargnagel setzte sich zur Wehr, veröffentlichte auf ihrer Facebook-Seite in einem Album unter dem Titel „fröhlichen frauentag wünscht richard schmitt“ Screenshots von einigen der Postings, macht selbiges auch auf Twitter.
was passiert wenn einem die krone als tierquäler verhetzt in vier beispielen
Was machen viele Hass-Poster, wenn Reaktionen folgen? Sie löschen ihren Hass aus dem Netz. Viele davon sind im Internet im Original nicht mehr auffindbar, wie jene zum Beispiel auf die Sargnagel am 9. März um 23:53 Uhr via Twitter unter dem Titel „was passiert wenn einem die krone als tierquäler verhetzt“ veröffentlichte – dort ist auch der Inhalt nachzulesen, den ich hier nicht wiederholen will. Ein paar Informationen zu diesen vieren sind dennoch im Netz auffindbar.
Google findet bei einer Suche nach den Namen Stefan Omasits nur weitere Postings dieses Facebook-Users, sonst hinterlässt keine Person dieses Namens Spuren im Netz. Es dürfte sich demnach nicht um einen Klarnamen, sondern ein Pseudonym handeln unter dem dieser User während des Bundespräsidenten-Wahlkampfs u.a. schon mal blaue Herzen für den FPÖ-Politiker Norbert Hofer verteilte oder aktuell Inhalte der Facebook-Gruppe Pro-FPÖ teilt.
Ähnlich Markus Christian Scheucher, auch diese „Person“ taucht nur in Form von Postings auf, in Foren des Boulevards, aber auch schon mal auf Johann Gudenus Seite, wo er die „Bösen beschützt“, die „Guten bestraft“ und „Mundtot gemacht“ sieht.
Beim laut Facebook Klagenfurter Pensionisten Peter Goritschnig dürfte es sich um eine Person im realen Leben handeln, allerdings tauchen mehrere Österreicher unter diesem Namen über Google auf, Aussagen sind ihm deshalb nicht eindeutig zuordenbar.
Auch Wilhelm Bernecker dürfte in Real Life unter seinem Posting-Namen existieren. Er gibt öffentlich über sich bekannt aus einem nicht ganz 3000 Einwohner-Ort in Oberösterreich zu stammen. Er stellt fest, dass „diese muslime niemals zu uns passen“, schreibt über „dieses islamistische pack“, meint, dass „eine religion die sowas praktiziert und predigt muß vom teufel persönlich erschaffen sein“ – und teilt ebenfalls Inhalte von Pro-FPÖ und auch jene der Gruppe Stolze FPÖ-Wähler öffentlich. Soweit zu den offensichtlichen und leicht erkennbaren „sozialen“ Verbindungen dieser Hassposter im Internet – und zugleich auch ein Zeichen dafür, dass einige davon nicht mit ihrem Namen hinter ihren Aussagen stehen.
Muna Duzdar, Staatssekretärin für Digitalisierung (SPÖ), meinte vor kurzem beim Digi-Talk des Frauennetzwerk Medien, dass es oft nicht reicht, Facebook oder Twitter solche Postings zu melden: „Wir vermuten, dass ein überwiegender Teil der gemeldeten Facebook-Postings von irischen Facebook-Mitarbeitern gelöscht wird, die keinen Bezug zum österreichischen Rechtssystem, zur österreichischen Sprache, zu österreichischer Satire haben“, sagte Duzdar. Deshalb forderte sie: „Facebook sollte User darauf aufmerksam machen, dass nationales Recht auch im Internet gilt.“ Außerdem rät sie zur „Gegenrede“: „Hasskommentare sind verletzend. Empowerment stärkt Frauen, die von Hass im Netz betroffen sind.“ Und Duzdar erinnerte dabei an die Initiative #aufstehn und den #solidaritystorm im Internet.
Stefanie Sargnagel scheint einen der 10 Tipps des Bundeskanzleramts berücksichtigt zu haben: Sich selbst schützen und Verbündete suchen. Einige User erklärten sich solidarisch und die Ratschläge ihrer Verbündeten gehen deutlich in eine Richtung: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, viele raten zur Anzeige. Florian Klenk, Chefredakteur des Falters, meinte z.B. „alle verklagen. Ausnahmslos“ und bot seine Hilfe dabei an. Der Tweet Sargnagels animierte sogar die Polizei Wien zur Nachfrage, ob die Autorin der Polizei die Links zukommen lasse.
@stefansargnagel hätten Sie zu den Screenshots noch die passenden Links für uns?
Muss Sargnagel die Poster anzeigen oder wird die Polizei von selbst tätig? Auf Nachfrage erklärte die Pressestelle der Landespolizei: „Die gegenständlichen Postings wurden dem Landesamt Verfassungsschutz zur Sachverhaltsklärung weitergeleitet. Bei Verdachts eines gerichtlich strafbaren Tatbestands“ werde diese „eine entsprechende Anzeigenlegung vornehmen bzw. an die zuständige Stelle (z.B. LKA) weiterleiten.“ Aber auch: „Im Falle eines Ermächtigungs- oder Privatanklagedeliktes sind die entsprechenden Schritte seitens der jeweils Betroffenen einzuleiten.“
Soll heißen, hier gibt es einen Unterschied zwischen Offizial- und Privatanklagedelikten. „Von besonderer praktischer Relevanz ist die Verhetzung, aber auch Üble Nachrede, Beleidigung, Verleumdung, Kreditschädigung oder Cyber-Mobbing“, erklärt die Pressestelle. Verhetzung wäre beispielsweise ein Offizialdelikt. In einer Broschüre zu Hasspostings des Verband der österreichischen Internet-Anbieter, kurz ISPA, ist zum Beispiel erklärt: „Absatz 1 des Straftatbestands der Verhetzung (§ 283 StGB) stellt unter Strafe, dass eine Täterin oder ein Täter vor vielen Menschen (als Richtwert vor mind. 30 Personen) zu Gewalt aufruft oder zu Hass gegen Personen aufgrund beispielsweise deren Religionszugehörigkeit, Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit oder Weltanschauung bzw. sexueller Orientierung oder Hautfarbe aufstachelt (z. B. indem zu konkreten Gewalthandlungen wie dem Einwerfen von Fenstern oder körperlicher Gewalt aufgerufen wird).“
Um üble Nachrede wiederum handelt es sich laut ISPA zum Beispiel, wenn einer Person unehrenhaftes Verhalten wie (z. B. illegale Beschäftigung, Ehebruch) nachgewiesen wird UND die Richtigkeit der Behauptung nicht bewiesen werden. Die üble Nachrede ist zwar ebenfalls strafbar, aber ein Privatanklagedelikt. Das heißt, nur die betroffene Person selbst kann eine Verfolgung initiieren.
Da gilt offenbar Paragraf acht der Strafprozess-Ordnung: „Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.“ Die Pressestelle der Polizeidirektion Wien dazu: „Ob ein Posting auch strafbar ist, ist immer im Einzelfall zu prüfen, da es hier auf viele verschiedene Faktoren ankommt, insbesondere auf die subjektive Tatseite.“ Dass die Postings bereits gelöscht sind, schützt aber nicht vor einer Strafverfolgung: „Grundsätzlich ist immer die Veröffentlichung bzw. je nach Deliktsform die öffentliche Wahrnehmung tatbildlich, somit ist auch ein wieder gelöschtes Posting theoretisch strafbar.“ Und noch ein wichtiger Hinweis: „Eine entsprechende Beweissicherung seitens des Betroffenen ist natürlich wichtig, wenn noch keine behördlichen Ermittlungstätigkeiten bestehen.“
Übrigens: „Auch wer hetzerische Inhalte im Internet nicht selbst erstellt, sondern absichtlich und befürwortend weiterverbreitet, kann belangt werden. Das betrifft auch schon das Teilen von Beiträgen“, heißt es von Seiten der Pressestelle der Polizeidirektion Wien. Und weil das einige solidarische Twitteruser besorgt hat: „Davon ausgenommen ist natürlich das kritische Teilen von Hasspostings wie im gegenständlichen Fall.“
Was passierte einstweilen bei der Krone bis dieser Text online ging: Der Text blieb sowohl auf krone.at und auf der Facebook-Seite der Krone, inklusive des Kommentars von Christina K. Fritz Kimeswenger veröffentlichte einen Text in der Krone Kärnten, gab einen eindeutigen Hinweis auf die Wohnadresse Stefanie Sargnagels in Klagenfurt und bezeichnete die Autorin als "willig". Das komme laut mehreren Kommentatoren der Causa, darunter Martin Stepanek in der Futurezone des Kurier, "im Kontext der Berichterstattung einem Vergewaltigungsaufruf" gleich.
Und der Autor des ursprünglichen Textes? Richard Schmitt setzte um 17:29 Uhr einen neuen Tweet ab:
Damit jene, die sich aufpudeln, auch wissen, warum: http://www.krone.at/oesterreich/saufen-und-kiffen-auf-kosten-der-steuerzahler-literaturreise-story-557951 … Und thx an @florianklenk für die Vermittlung Tausender Visits.
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