02.12.2016 / Weitere Texte

Facebook macht asozial

"Soziale Medien sind asozial", sagte Politikberater Thomas Hofer heute im Morgenjournal im Zuge seiner Analyse der letzten Fernsehdebatte der Bundespräsidentenwahl. Und er hat Recht damit. Fünf Gründe, warum Facebook nicht soziale Fähigkeiten, sondern im Gegenteil sogar asoziales Verhalten fördert.

1. Facebook suggeriert „Freundschaft“, die ist unter Facebook-„Freunden“ aber nicht notwendig. Freundschaften im realen Leben zeichnen sich durch den direkten Kontakt der Beteiligten aus. Sie tauschen sich aus, pflegen Beziehungen. Ehrlichkeit, Respekt, Rücksichtnahme, Vertrauen und Offenheit sind nur einige von vielen Eigenschaften, mit denen Freunde einander begegnen. Facebook funktioniert anders. Man kann sich mit 100en, 1000en „befreunden“. Dafür sind nur zwei Klick notwendig: einer für die Anfrage und einer beim Annehmen. Eine soziale Beziehung vorab zwischen solchen "Freunden" ist nicht notwendig. Und man muss kaum Fähigkeiten im sozialen Miteinander mitbringen, um auf Facebook „Freunde“ zu gewinnen.

2. Facebook ist kein Medium, schon gar kein soziales. Eine Information steht nur scheinbar auf Augenhöhe mit jeder x-beliebigen anderen, Facebook entzieht sich anders als Medien der Rolle als Gatekeeper, überlässt das seinen Usern, egal ob sie das notwendige Know-how oder die Zeit mitbringen, um ihre Gatekeeperrolle wahrzunehmen. JournalistInnen von Qualitätsmedien prüfen ihre Quellen, stellen Fragen: Hat die Person etwas persönlich erlebt oder sich intensiv mit etwas auseinandergesetzt? Welche Interessen verfolgt sie? Welche Macht hat sie, diese durchzusetzen? Also: Welche Rolle nimmt die Quelle im sozialen Miteinander ein? Qualitätsmedien bemühen sich um einen Ausgleich der Interessen in Debatten, lassen bewusst auch weniger Mächtige zu Wort kommen. So findet auch der Standpunkt von Schwächeren Gehör. Das macht Facebook nicht und seine User nur soweit ihnen das ein Anliegen ist.

3. Auf Facebook herrscht das Recht der Stärkeren, keine Demokratie. Medien werden oft dafür kritisiert, ausschließlich im Sinne von Mächtigen zu berichten. Dabei gilt das für Plattformen wie Facebook im Vergleich zu Medien viel mehr. Wie in einer Demokratie hat auf Facebook zwar theoretisch jeder die Möglichkeit sich einzubringen, seinen Standpunkt zu vertreten und die von anderen zu bewerten. Anders als bei demokratischen Wahlen ist dabei aber nicht jede Stimme gleich viel wert. Im Gegenteil, der Stärkere mit vielen „Freunden“, vielen Likes und geteilten Inhalten wird mit mehr Aufmerksamkeit belohnt, weiter verbreitet und setzt sich durch. Der Grund dafür ist einfach: Facebook verfolgt keine sozialen oder demokratischen, sondern finanzielle Interessen und verschafft Mehrheiten noch mehr Gewicht, egal ob Einzelne sich darin wiederfinden oder untergehen. Schließlich bringt Werbung, die eine Mehrheit erreicht, Facebook mehr Geld.

4. Facebook belohnt lautes Schreien, Diskussionskultur ist nicht gefragt. Facebook reduziert die Grundregeln für zwischenmenschliche Kommunikation auf ein Minimum. Nur besonders extreme Verstöße gegen die sogenannten Gemeinschaftsregeln, werden mit Wortentzug, also dem Löschen von Kommentaren, oder Sperren solcher User geahndet. Facebook aber entzieht sich der Moderationsrolle, die es bei realen oder medialen Diskussionen gibt. Fairness, Ehrlichkeit, gute Argumente, ob auf solche eingegangen wird, ob die User zuhören, nachdenken bevor sie antworten, wertschätzend sind und das in ihrer Wortwahl zum Ausdruck bringen, all das ist Facebook egal. Was zählt ist die pure Aufmerksamkeit, egal ob Aussagen als Lügen entlarvt oder deren Wahrheitsgehalt bestätigt wird. Der Algorithmus von Facebook präsentiert Wahrheit und Lüge gleichermaßen als wichtig und relevant für noch mehr Personen. Und Facebook ist es dabei völlig egal, dass Lügen asozial sind.

5. Facebook-Blasen zerstören soziale Gemeinschaften – auch in der realen Welt. Manche User gestalten ihre Facebook-Beziehungen als privaten Rückzugsort. Sie „befreunden“ sich nur mit realen Freunden mit ähnlichen Interessen und Gleichgesinnten, die ihre eigene Sichtweise bestätigen und verstärken. Die Auseinandersetzung mit Widersprüchen, anderen Sichtweisen findet damit weniger statt, Diskussionskultur wird so nicht geübt. Und genau diese Fähigkeit fehlt dann in größeren gesellschaftlichen Zusammenhängen, im beruflichen Umfeld, bei Veranstaltungen, auf Marktplätzen, im Gestalten von gesellschaftlichen Zusammenhängen immer mehr. Schließlich geht es da auch darum, Widersprüche aufzulösen und nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch in dem der anderen als soziales Wesen zu entscheiden, zu gestalten und zu handeln.

Links

Seite zurück